Seit vielen Jahrhunderten kann man in den Wäldern von Lettgenbrunn
und Villbach auf die Jagd gehen. Im Februar 1994 übernahm Dr. Herbert
Weißhaupt die Jagdpacht von Roland Kreuzner. Im Pachtvertrag ist
handschriftlich eine Sonderklausel eingetragen worden, in der der
Friedberger Roland Kreuzner seinem Frankfurter Nachfolger ausdrücklich
darauf hinweist, dass er besonders im vergangenen Herbst Begegnungen der
Dritten Art im Wald erlebte.
Sein Jagdrevier im tiefen Spessart erstreckte sich vom Horst über den
Hohen Berg, den Rosskopf bis zur Spinne, eine Kreuzung oberhalb des
Schwarzen Grundes bei Pfaffenhausen. Folglich zählte auch die Gemarkung
„Stelzengarten“ und der Beilstein zu seinem Revier. In einem Brief von
Kreuzner vom 6.Juni 1986 ist zu lesen, dass er die Jagdgenossenschaft
darum bittet, sich ernsthaft mit dem Mythos der „Spessarträuber“ zu
beschäftigen. Er schrieb: „Zum wiederholten Male konnte ich Stimmen im
Wald vernehmen. Leise aber deutlich. Mal einzelne und mal wirres
Durcheinander wie in einem gut besuchten Wirtshaus!“
Natürlich glaubte man Roland Kreuzner nicht, dass man im menschenleeren
Wald Stimmen hörte und wie er weiter beschrieb, er das Gefühl hatte, er
wird verfolgt sobald er den Hochsitz verließ.
Ende Oktober 1993 kam es dann zu einem Zwischenfall. Roland Kreuzner
hatte unweit des Beilsteins ein Rudel Rehe im Visier. Er setzte sein
Gewehr an und schaute durch das Zielrohr. Doch zu seiner Verwunderung
konnte er hier kein einziges Tier mehr sehen. Er hob nach eigener
Aussage mehrfach den Kopf und blickte wieder auf die Lichtung wo das
Wild graste. Doch im Fokus war nur eine leere nächtliche Wiese zu sehen.
Zweifelnd sprang er vom Hochsitz und lief auf das Wild zu, doch anstatt
die scheue Rasse vertreiben zu können blieben die Tiere ruhig stehen
und beobachteten ihn, wie er versuchte eins zu berühren. „Wie durch
Wasserdampf ging meine Hand ins Leere“, schrieb Kreuzner in einer
weiteren Stellungnahmen zu seiner Aberkennung des Jagdscheins. Plötzlich
fielen dumpfe Schüsse und im schwachen Licht des Mondes konnte er
zwischen den Bäumen für einige Momente zerrupfte, bewaffnete Gestalten
mit großen Hüten und altmodischen Schuhen und Hosen sehen. Kreuzner
schrieb: „Sie sahen aus wie reale Menschen, aber ihre Gesichter waren
leer. Ich versuchte meinen Blick zu schärfen und mich langsam zu nähern.
Ich rief ihnen laut zu, doch sie gaben keine Antwort. Sie verschwanden
langsam hinter den dicken Eichen am Rand der Lichtung und im selben
Moment stand eine dieser Figuren unmittelbar hinter mir und hauchte mich
mit einem lauten Krächzen an!“
Da Kreuzner wohl die Nerven verlor, schoss er auf die Kreatur. Dies
geht aus seiner Erklärung nicht hervor. Doch da er in besagter Nacht
sein gesamtes Magazin ziellos auf der gesamten Lichtung verschoss und
erst durch die von Villbacher Bewohner gerufene Polizei beruhigt werden
konnte, verlor er seinen Jagdschein.
Mit Dr.Herbert Weißhaupt kam im Frühjahr darauf sein Nachfolger.
Weißhaupt war fast schon mehr an der Theorie Kreuzners interessiert, als
an der eigentlichen Jagd. Als Doktor der Psychologie hatte er sich
mehrere Jahrzehnte hauptberuflich mit Themen wie Exorzismus,
Hexenerscheinungen, schwarze Magie und überirdische Wesen beschäftigt.
Weißhaupt fiel auf, dass nur in den Herbstnächten seltsame, unerklärbare
Dinge rund um den Beilstein passieren. Er ergriff Partei für seinen
Vorgänger, der sich zu diesem Zeitpunkt auf eigenen Wunsch bereits in
psychiatrischer Behandlung in Lohr-Wombach aufhielt.
Die Mitglieder der Jagdgenossenschaft schenkten auch Weißhaupt keinen
Glauben, obwohl er sehr detaillierte Begegnungen beschrieb. Er konnte
auch einige Dorfbewohner von Lettgenbrunn als Zeugen benennen, die
allesamt von nicht erklärbaren Sichtungen und Vorfällen berichteten.
Weißhaupt selbst schrieb unzählige Begegnungen haarklein auf. Zischende
Geräusche, schallendes Gelächter, satanistische Verse, okkulte Symbole
und unberechenbare menschenähnliche Gestalten, die sich schwerelos im
nächtlichen Wald bewegten und ab und an mit ihm versuchten zu
kommunizieren. Weißhaupt glaubte ebenfalls bis zuletzt eine Parallele zu
dem Mysterium um die Spessarträuber gefunden zu haben. Im November 1997
kehrte er nicht mehr von seiner Jagd zurück. Sein Auto wurde unweit des
Beilsteins gefunden. Es war unversehrt, jedoch waren im PKW mehrere
überdurchschnittlich große Raben gefangen. Ein Fußgänger, der in
besagter Nacht mit seinem Hund spazieren war, hatte laute Geräusche aus
dem Wald vernommen. Gegenüber der Polizei sagte er: „ich dachte mir die
Waldarbeiter arbeiten wohl besonders lange!“ Die Suche und das Verfahren
wurden erfolglos 2 Jahre später eingestellt. Am Tag darauf fanden
Wanderer direkt vor dem Beilstein eine Tarnjacke, die wie angeschweißt
um einen Baumstamm gewickelt war. Obwohl Teile der Jacke tief in das
Holz eingewachsen waren, hatte der Stoff keinerlei
Abnutzungserscheinungen und war wie neu.
Die Frau des vermissten
Weißhaupt konnte die Jacke eindeutig ihrem Mann zuordnen, da in der
Tasche sein Notizbuch steckte. Die Polizei konfiszierte dies und
erklärte Weißhaupts Frau später es sei besser, sie lese das Buch nicht.
Roland Kreuzner verstarb im Herbst 2003 in einer Spezialklinik für
besonders schwere psychiatrische Erkrankungen in Eberbach bei Wiesbaden.
Exakt am 31.Oktober 2003. Also auf den Tag genau 10 Jahre nach dem
Ereignis auf der Lichtung.
©Holger H.
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