Der 10-jährige Alessandro freut sich schon sehr auf seinen ersten
Schultag. Er geht in die zweite Klasse Hauptschule und ist sehr
wissbegierig. Als der Lehrer in die Klasse kam, sagte er mit lächelnder
Mimik: „Ihr wisst ja gar nicht, wie ich mich freue, euch vollzählig,
frisch und munter wieder in diesem Schuljahr unterrichten zu dürfen!
Doch bevor wir mit euren Ferienerzählungen beginnen, möchte ich eins
vorweg noch sagen… .“ Es war mucks-mäuschenstill im Klassenraum und
Alessandro und der Rest der Klasse waren schon sehr gespannt. Der Lehrer
fuhr fort: „Wir werden am Mittwoch der folgenden Woche einen Ausflug in
die Bücherei machen. Wichtig sind Jause, Getränke und Schreibsachen.
Trotzdem ist es verboten, in der Bücherei zu essen!! Wir werden viel
wissenswertes dort erfahren und auch ein Rätselrallye unternehmen.“
Alessandro und all seine Klassenkollegen waren schon sehr gespannt, was
sie wohl erwarten wird. Nach einer Woche genau am Mittwoch war es dann
soweit.
Während der Hinfahrt machten sich alle viele Gedanken, wie es dort
ausschaut, was sie erwartet und und und…. . Endlich dort angekommen,
erwartete sie auch schon der Gruppenführer. Dieser war ein netter,
langer, dünner Mann mit grauem Haaren. Am Anfang teilte er die
Hausordnung mit und fügte zum Schluss noch ein „BITTE MERKT DIES EUCH
UND HALTET SIE AUCH EIN!!!!“ hinzu. Nach dieser wichtigen Durchsage ging
er von der Eingangshalle immer weiter ins innere der Bibliothek bis sie
dann endlich im Kinderbereich angelangt sind. Alessandro wunderte sich,
wie groß eine Bibliothek sein kann.
Plötzlich schreckte er sich als der Gruppenführer etwas unheimliches
erzählen begann: „ Vor etwa achtzig Jahren ging ein Mann in diese
Bibliothek las viele Bücher. Doch auf einmal drückte ihm die Blase und
er musste ganz schnell aufs Klo. Doch zu dieser Zeit war das Klo nicht
gleich um die Ecke…ganz im Gegenteil…sie befand sich irgendwo versteckt
am anderen Ende der riesigen Bibliothek. Und zwar deshalb, weil zu jener
Zeit das WC so dermaßen gestunken hat, dass man es so weit weg wie nur
möglich platzierte. Er suchte so lange, bis er es endlich fand. Doch da
war es gerade drei Minuten vor der Schließzeit, aber das wusste der Mann
nicht, weil er keine Uhr hatte. Er ging durch die alte, schwere und
große Tür und verrichtete sein „Geschäft“. Erleichtert wusch er sich
anschließend die Hände und wollte die Tür öffnen, als sie nicht mehr
aufging. Anscheinend klemmte sie, weil sie schon sehr alt war oder
jemand hatte sie verschlossen. Es gibt bis heute keinen vollkommenen
Grund für dieses schreckliche Ereignis.
Der Mann schrie sich die Stimme aus dem Leib und hämmerte in die Tür
ein bis er blaue Flecken an den Händen bekam, aber niemand hörte ihn.
Bald darauf verlor er die Stimme und seine Hände schmerzten ihn so sehr,
dass er sie kaum mehr bewegen konnte. Nach einiger Zeit vergaß man das
WC in dieser verlassenen Ecke tief in der Bibliothek und bald darauf
baute man ein neues Klo. Ein viel sauberes Klo, dass regelmäßig geputzt
wird und viel näher am Bibliotheksbereich liegt. Dieses WC gibt es heute
noch, aber das verlassene und vergessene Klo liegt irgendwo versteckt
und niemand traut sich jemals in die Nähe des WC, weil er Angst hat,
sich selbst zu verlaufen. Und seit dieser Zeit beginnt jeden Abend genau
zu den Schließungszeiten der Geist des Mannes lautstark zu poltern, zu
jaulen und zu spuken.“ Nach dieser Geschichte hatte Alessandro große
Angst und wollte nie wieder in der Bibliothek aufs Klo gehen. Doch
ausgerechnet da drückte die Blase.
Er versuchte sich zurückzuhalten und sagte innerlich mit gedrückter
Stimme: „Ich hätte doch nicht in der Früh so viel Milch trinken
sollen!!“ Er biss die Zähne zusammen bis die Klasse endlich die
Bibliothek verließ. Als er endlich draußen war rannte er, ohne das es
der Lehrer bemerkte, hinter einen Busch, entleerte seine Blase und
rannte wieder zur Klasse. Puh, gerade noch gut gegangen! Am Abend als er
zu Bett ging, dachte er trotz seiner Müdigkeit noch einmal über die
Geschichte des Bibliotheksgeistes nach. „Dieser armer Geist!“ waren
seine letzten Worte und dann schlief er ein.
Am nächsten Tag musste jeder Schüler einen Aufsatz der Führung des
Vortags verfassen und sein eigenes Kommentar abgeben, wie ihm der
Ausflug gefallen hatte. Dieser Ausflug war der spannendste aller
Ausflüge und Alessandro wird dieses Erlebnis nie wieder vergessen.
©Johannes R.
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